Vor jedem Heimspiel des 1. FC Union öffnet die `Eiserne Botschaft` und wir möchten Euch in der Rubrik `Stück der Woche` nicht jede Woche (klingt halt irgendwie gut) aber regelmäßig ein Exponat unserer Sammlung vorstellen. Nicht nur – auch wegen des `Stücks…` lohnt es sich vorbeizukommen und reinzuschauen.
„the day before“ – Temporäre Installation historischer Zeitzeugnisse, Matti Michalke (2009)
Wissenschaftler sprechen im geschichtlichen Kontext eines Ereignisses oder einer Zeitenwende oft vom ‚Vorabend‘. Wir kennen den Vorabend der französischen Revolution. Wissen aber meist nicht, wann so ein Vorabend zeitlich einzuordnen ist. Wann war denn nun der Vorabend der friedlichen Revolution in der DDR. Am 08. November, 03. November oder am 04. September 1989 – dem Tag vor der ersten Montagsdemonstration in Leipzig? Natürlich ist hier nicht vom wörtlichen Sinn auszugehen. Der ‚Vorabend‘ meint einen von Historikern definierten Zeitraum, in dem alle wichtige Faktoren zeitlich eingeordnet wurden, die das Ereignis auslösten.
In unserem Fall meint der Vorabend wirklich den Vorabend – den Vorabend eines Ereignisses, das in der Geschichte des 1. FC Union eine Zeitenwende bedeutete. Am 07. Juli des Jahres 2009 um 19.00 Uhr trafen sich drei Menschen, Matti Michalke, Andora und Sascha Mase, in der Fankneipe Abseitsfalle. Dieser Ort – an dem sich einen Tag später hunderte von Menschen drängen würden – war einsam und verlassen. Erinnerungen, Erwartungen, Ängste und Träume betimmten die Gespräche der drei. Am darauf folgenden Tag sollte das modernisierte Stadion An der Alten Försterei wiedereröffnet werden. Der ‚Aufbruch in eine neue Zeit‘ meint nicht den sportlichen Aufstieg, sondern die prägende Kraft, die durch das ehrenamtliche Engagement von freiwilligen Stadionbauern freigesetzt wurde. Menschen, die die Modernisierung der altehrwürdigen Sportstätte bewerkstelligten. Und das alles in Zeiten des individuellen Vorteils und Konsums.
Ab 22.30 Uhr beim anschließenden Rundgang im Stadion konnte bei allen drei Beteiligten ein unvergessenes Stimmungsbild entstehen. Fans der Ultragruppierung bei den letzten Handgriffen zur Vorbereitung ihrer Choreografie; Pressesprecher Christian Arbeit, der gefühlt das 24. australische Fernsehteam durch die Sportstätte führt; ein Catering-Chef, der die letzten Versorgungscontainer mit Grillfleisch bestückt; besenkehrende Frauen – Menschen scheinbar kurz vor einem Burnout-Syndrom.
Die Installation „the day before“ besteht aus drei Gegenständen, die an den Vorabend des 08. Juli 2009 erinnern. Die Rechnung der oben beschriebenen Zeche in der Abseitsfalle – signiert von den beiden Barfrauen Katrin und Jessy – vervollständigen zwei Bohrkerne. Die Bohrkerne stammen aus dem Beton einer Stadionstufe an der sogenannten Waldseite der `Alten Försterei`. Die Bohrung wurde am Abend des 07. Juli 2009 vorgenommen, um ein käfigförmiges Geländer einzubringen. Auf diesem Geländer stehen die Capos der Ultrabewegung mit dem Rücken zum Spielfeld, um mit Hilfe von Megaphonen den Chor der stimmengewaltigen Gruppierung zu koordinieren.