Das Spiel, an das ich mich am klarsten erinnern kann, ist das Spiel von dem ich am wenigsten gesehen habe. Es war das Nebelspiel gegen Eintracht Frankfurt 2002. Im damaligen Block J auf der Waldseite konnte ich mit großer Mühe den jeweiligen Torhüter im Zuckertor erkennen. Zunächst waren wir irritiert. Das hatte doch mit Fußball nichts zu tun. Die Irritation wich dann immer mehr einem Sarkasmus, als klar wurde, dass der Schiedsrichter das Spiel nicht abpfeift. Wobei der Schiedsrichter während des gesamten Spiels nicht zu erkennen war. Wie das Spiel ausging weiß ich nicht, da ich ja nichts gesehen habe.
Zu Union hat mich mein Opa Fritz das erste Mal mitgenommen. Das war 1976. Ich war da gerade zwölf Jahre alt. Vorher war ich einige Male bei Dynamo gewesen. Das hat mein Opa mitbekommen. „Wenn Du Fußball erleben willst, musst Du zu Union kommen.“ Mein Opa war damals bekannt, weil er immer mit dem Taxi zum Stadion gefahren ist. Und das in der DDR, wo ein Auto schon etwas besonderes war. Er nahm mich jedenfalls mit zum Spiel gegen Stahl Riesa. Im Stadion angekommen hat er sich gar nicht mehr um mich gekümmert, sondern nur um das Spiel. Aber er hatte ja auch Ahnung von Fußball. Nicht wie ich. Von da an bin auch alleine in die Alte Försterei gegangen.
Es gab auch Jahre ohne Union. Als andere Dinge wichtig wurden. Bei der Armee wurde ich wieder richtiger Unioner. Und das ohne ein einziges Spiel gesehen zu haben. Die haben mich nach Thüringen geschickt. Und dort war ich der einzige Berliner. Das war dann meine Reaktion darauf.
Ich habe bis heute keine Ahnung von Fußball, also von taktischen Aufstellungen und so. Stattdessen genieße ich die Situation, dass im Stadion Fußball stattfindet. Das ist auch der Grund, weshalb ich zu Union gehe. Ich könnte gar nicht woanders hingehen. Keine Ahnung von Fußball und obendrein bin ich auch parteiisch. Da bin ich völlig unzurechnungsfähig. Denn ich bin immer für Union. Die Mannschaft hat in meiner bisherigen Zeit bestimmt mehr Spiele verloren als gewonnen. Aber ich glaube immer an Union.
Matti Michalke ist Buch- und Großbildmacher, Vorleser, Illustrator und [Eiserner] Mensch.